Tierschutzhündin Angst vor fremden Menschen

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Laura W. schrieb am 29.04.2024
Seit einem Monat haben wir eine 10-Monate alte Pflege Hündin aus dem griechischen Tierschutz. Sie ist dort als Welpe mit ihrer Schwester von der Straße geholt worden, war ein paar Wochen im Tierheim - bis ihre Patenfamilie sie nach Wien in den 4. Bezirk adoptiert hatte. Da sie dort mit der Verkehrs- und Straßensituation nicht klarkam, vor Stress immer wieder nach dem Spaziergang erbrochen hat - haben wir sie zu uns an den Randbezirk geholt.

Drinnen ist so sehr ruhig, gutmütig und an Haushaltsgeräusche gewöhnt. Besuch wird nicht verbellt und binnen weniger Minuten bereits aktzeptiert. Sie bleibt im selben Raum, nimmt Leckerlis aus der Hand & lässt sich den Bauch kraulen. Ob Mann oder Frau ist egal.

Sobald ich die Leine hole verzieht sie sich bereits unter den Tisch und zieht den Schwanz ein. Sie dreht sich bereits auf den Rücken sodass ich sie nicht anleinen kann. Die Leine selbst ist kein Problem - wenn ich sie über den Tag hinweg im Wohnzimmer platzieren steigt sie drüber oder liegt daneben. Zur Haustür hält sie ebenfalls großen Abstand beim Wechsel in ein anderes Zimmer. Unsere bodentiefen Fenster meidet sie auch wenn sie offen stehen. (1. Stock, Französischer Balkon)

Steht sie dann aber bereits angeleint im Vorzimmer mit offener Wohnungstür in das Stiegenhaus - spaziert sie problemlos raus. Vor ein paar Tagen ist uns im Hausflur ein Nachbar entgegen gekommen. Sie hat sich zitternd gegen die Wand gedrückt weil es keine Ausweichmöglichkeit mehr hab.
Seitdem Vorfall geht sie die Stufen nach unten zur Stiegentür - nicht mehr freiwillig.

Sind wir draußen angekommen schüttelt sie sich meistens & geht die ihr Bekannten Meter ohne Probleme. Dennoch wirkt sie die ganze Zeit angespannt.

Wir gehen wirklich nur wenige Meter - aber die sind meist schon zuviel. Es muss nur im falschen Moment eine andere Person in der Nähe sein.

Rückruf funktioniert (noch) nicht sodass ich sie rechtzeitig aus einer Situation rauslenken könnte. Wir haben es auch schon mit einer Schleppleine probiert, aber ohne funktionierenden Rückruf ist es schwer sie so schnell bei mir zu haben - wenn sie einen Menschen entdeckt. Dann sitzt sie mir nämlich 10 Meter tief im Feld oder Gebüsch…

Sobald sie jedoch einen Menschen auch nur erblickt (dabei ist ganz egal, wie weit entfernt & ob die Person auf uns zugeht oder nicht) ist es mit ihr zuende.

Mit eingezogener Rute, zurückgeklappten Ohren und im Duckgang zerrt sie (25 Kilo) in das nächste Gebüsch. Dort verharrt sie und drückt sich immer tiefer rein. Rauslocken lässt sie sich nicht. Hebt man sie dann aus dem Versteck & setzt sie wieder auf den Weg - läuft sie manchmal weiter als wäre nie etwas passiert.

Manchmal blockiert sie einfach so mitten auf dem Weg, wenn sie sich erinnert dass gestern an der Stelle eine Person stand.

Menschen mit anderen Hunden dürfen sich zumindest etwas näher an uns ranwagen.
Hunde werden von der Ferne angeknurrt, sind sie dann aber nahe - erstarrt sie und lässt sich tonlos beschnuppern.

Ich stelle mich meist selbstbewusst vor sie damit sie das Gefühl hat dass ich sie schütze - sie zieht aber mit aller Kraft immer weg und so fällt es mir schwer überhaupt gerade stehen zu bleiben.

Sie reagiert draußen weder auf Leckerlis, Paste, Spielzeug, Worte oder Streicheln - was die Ablenkung und positive Bestätigung wirklich schwer macht.

Sie hat Gottseidank nochnie aus Angst zugeschnappt oder gebissen. Zuhause angekommen frisst sie sofort wieder Leckerlis, braucht aber relativ lang um sich zu beruhigen.

Bei uns hat sie sich bisher vor Stress nicht übergeben - jedoch hechelt und sabbert sie sehr stark.

Sie meldet sich auch nicht selbst wenn sie mal muss, ich „gehe“ alle 5-6 Stunden mit ihr raus da macht sie aber immer.

Wir haben bereits mit 2 Hundetrainern zusammengearbeitet - leider haben die nur darauf bestanden Tipps anzuwenden, die wirklich nicht funktionieren bei ihr. (Mit Leckerli ablenken..)

Wir würden ihr gerne die Angst nehmen & ihr zeigen dass sie sich auf ihren Menschen verlassen kann. Und damit sie die Chance hat adoptiert zu werden!
1 Antwort
Hallo Laura,

leider sieht man immer wieder Hunde, die aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden.

Diese Hunde haben oftmals bereits im Mutterleib einen mehr als schlechten Start - das Leben der Mutterhündinnen ist nicht selten geprägt von Mangelernährung und Stress. Während der sehr wichtigen Phase in den ersten circa 16 Lebenswochen, der so genannten Sozialisierungsphase, machen diese Hunde für ihr späteres Leben wichtige Erfahrungen in viel zu geringem Maß oder - und das ist die Regel - schlichtweg gar nicht. Diese Hunde sind mit diesen Voraussetzungen mit einem Leben in Deutschland - mehr als überfordert. Und genau das ist das, was Sie bei Ihrer Pflegehündin gerade beobachten.

Das einzige, was ich Ihnen an dieser Stelle empfehlen kann (und muss!): suchen Sie bitte schnellstmöglich einen verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt, der die Hündin nicht nicht hinsichtlich Management und Training umfassend beraten kann, sondern hier auch mit angstlösender Medikation unterstützen kann. Ohne entsprechende Unterstützung wird Ihre Hündin mehr als unnötig leiden - und das ist nicht im Sinne des Tierschutzes!

Viele Grüße,
Stefanie Ott
www.mensch-und-tier.net
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